Aktuelles Heft

 

Inhalt der aktuellen Ausgabe April 2024:

Nun also doch:
Bürokratieentlastung für die Zeitarbeit und im Arbeitsrecht durch Änderung des AÜG und des NachwG

Erfahrung mit Zukunft
Die Stellenmärkte und ältere Arbeitnehmer:innen

Neues Unternehmensnetzwerk „Vielfalt ist Zukunft”
Randstad engagiert sich für eine weltoffene Gesellschaft

Wichtige Termine ...
Kündigungen müssen zugegangen sein ...

Win-Win-Situation für Unternehmen und Rentner*innen
Das Projekt „Talente in Rente“ als Schlüssel zur Fachkräftesicherung in Bayern

Europa ist die Zukunft!
Eine Kolumne von Philipp Erik Breitenfeld

Positionen zum Thema Weiterbildung und Qualifizierung –
am Beispiel des Nürnberger Qualifizierungsverbunds

Zeitarbeitrelevante Mindestlöhne in Euro pro Stunde

17. ES-Unternehmerforum
Richtungsweisende Plattform für Personaldienstleister: Chancen und Perspektiven im Fokus

FERCHAU führt digitale Plattform für effiziente Personalbeschaffung ein

Das Bundesarbeitsgericht:
Entgeltfortzahlung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion und behördlicher Absonderungsanordnung

Impressum

LAG Köln, Urteil vom 28. September 2022, Az.: 11 Sa 233/22 –
Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen der Tätigkeit beim Kunden?

 

Ausgewählter Artikel der Ausgabe April 2024:

Nun also doch:
Bürokratieentlastung für die Zeitarbeit und im Arbeitsrecht durch Änderung des AÜG und des NachwG

Lange wurde es angekündigt und dann vom Bundeskabinett im März 2024 beschlossen – das „Vierte Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie“, kurz das „Vierte Bürokratieentlastungsgesetz“ oder noch kürzer das „BEG IV“.

Der Gesetzesentwurf besteht aus insgesamt 62 Artikeln, durch die laut Bundesjustizminister Marco Buschmann „der nächste Schritt bei der Bekämpfung des Bürokratie-Burnout“ gegangen werden soll, aber was soll sich konkret bei der Arbeitnehmerüberlassung und im Arbeitsrecht ändern?

I. Regierungsentwurf des BEG IV

Für die Zeitarbeit war die Antwort schnell gefunden, nämlich gar nichts. Das BEG IV in der März 2024 präsentierten Fassung geht auf die Arbeitnehmerüberlassung und das AÜG nicht ein.

Und für das Arbeitsrecht? Auch nicht viel, aber immerhin etwas. Erwartungsgemäß – kann man immerhin noch feststellen, wenn man sich den Referentenentwurf aus Januar 2024, auf dem der Regierungsentwurf aus März 2024 nun aufsetzt, in Erinnerung ruft, der aus arbeitsrechtlicher Sicht bereits als eher enttäuschend zu bezeichnen war. Die wesentlichen Änderungen sind schnell zusammengefasst:

Arbeitszeugnisse sollen zukünftig per qualifizierter elektronischer Signatur (qeS) ausgestellt werden können; bislang ist diese ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 630 S. 3 BGB, § 109 Abs. 3 GewO). Aber: Die Einwilligung des Arbeitnehmers ist dafür erforderlich. Und auf die strenge Schriftform muss weiterhin zurückgegriffen werden, wenn die qeS wegen der daraus ersichtlichen Zeitangabe unzulässige Rückschlüsse zulasten des Arbeitnehmers ermöglichen würde und eine Rückdatierung rechtlich erforderlich ist, etwa im Fall von Zeugnisberichtigungen.

Im NachwG soll der Weg geebnet werden, den Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht mehr nur über die strenge Schriftform zu erbringen; dies gilt aber nur, wenn dem Arbeitnehmer ein von den Vertragsparteien in elektronischer Form gem. § 126a BGB geschlossener Arbeitsvertrag (sprich per qeS) in einem ausdruckbaren Format übermittelt worden ist. Bei Arbeitnehmern, die in einem Wirtschaftsbereich oder -zweig nach § 2a Abs. 1 SchwarzArbG, tätig sind, ändert sich nichts. Dort soll es bei dem Nachweis in „wet ink“ bleiben.

Ansonsten fallen noch einige Schriftformerfordernisse in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Elternzeit und der Regelung einer Teilzeittätigkeit während der Elternzeit weg; es soll zukünftig die Textform gelten.

Das war es im Wesentlichen, wenn man das BEG IV mit einer arbeitsrechtlichen Brille betrachtet. Der große Wurf ist das nicht. Es lagen zahlreiche weitere, bessere und auch praxistauglichere Vorschläge (gerade mit Blick auf das NachwG) auf dem Tisch. Die Regierung konnte oder wollte nicht. Ein erstes „Schrittchen“ – mehr nicht.

II. Schreiben aus dem BMJ vom 21.03.2024

Dann kam der 21.03.2024 – mit einer Ankündigung von Marco Buschmann. In dem Schreiben werden weitere Änderungen bei (arbeitsrechtlich relevanten) Formvorschriften angekündigt.

1. Textform bei Arbeitnehmerüberlassungsverträgen

Das Schriftformerfordernis für Arbeitnehmerüberlassungsverträge soll fallen; die Textform soll zukünftig ausreichen. Anders als bisher („wet ink“ oder qeS) sind zukünftig Erklärungen hinreichend, die von dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Kunden per E-Mail, Fax etc. ausgetauscht werden. Eine beschränkte Aufrechterhaltung der Schriftform für bestimmte Einsatz- oder Wirtschaftsbereiche, in denen Zeitarbeitnehmer eingesetzt werden, ist nicht vorgesehen (anders beim NachwG, dazu sogleich).

Wörtlich heißt es dazu in dem Schreiben vom 21.03.2024:

„Darüber hinaus soll auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher nach § 12 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch die Textform abgelöst werden. Wir wollen den Vertragsschluss damit noch weiter erleichtern und sowohl für Ver- als auch Entleiher Aufwand und Kosten reduzieren. Mit der Änderung können Überlassungsverträge künftig per E-Mail abgeschlossen werden. Das ist insbesondere für KMUs eine große Entlastung.“

Man mag es kaum glauben. Der seit Inkrafttreten des AÜG im Jahr 1972 gleich lautende § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG („Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Schriftform.“) soll geändert und die Schrift- durch die Textform ersetzt werden?

Diese Ankündigung bedeutet für die Zeitarbeit eine spürbare Entlastung. Arbeitnehmerüberlassungsverträge müssen nicht mehr ausgedruckt, im Original unterzeichnet und per Post oder per Boten dem Kunden und übermittelt zurückgeschickt werden. Verträge können unterschrieben und dann als Scan per E-Mail von den Parteien ausgetauscht werden. Kurzfristige Aufträge können unbürokratisch und ohne die Sorge, dass gegen die Bestimmungen des AÜG verstoßen wird, angenommen und durchgeführt werden. Durch den in Textform geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag werden sodann auch die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG erfüllt.

Wenn das keine spürbare Erleichterung werden wird! Endlich eine für die Praxis äußerst hilfreiche deregulative Maßnahme im Sinne der Zeitarbeitsbranche, auf die viele gewartet haben, auf die die Verbände (BAP und iGZ, jetzt: GVP) – man ist geneigt zu sagen – mit stoischer Gelassenheit hinwirkten (ein aufrichtiger Dank der Autoren dieses Beitrags dafür!) und die nun Realität werden dürfte.

2. Textform beim Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen

Arbeitsverträge können – wie auch bisher – grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden (mündlich, per „wet ink“, per E-Mail oder per qeS). Gesetzliche Formerfordernisse, die bei Befristungen (§ 14 Abs. 4 TzBfG) oder nachvertraglichen Wettbewerbsverboten (§ 74 Abs. 1 HGB) vorgesehen sind, sind weiterhin zu beachten; es bleibt bei der strengen Schriftform oder – zumindest nach herrschender Meinung – der qeS. Übrigens ist auch eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, die das „automatische“ Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bei Erreichen des Regelrentenalters vorsieht, rechtlich als Befristungsabrede zu qualifizieren, die der Schriftform im o.g. Sinne bedarf; eine abweichende Beurteilung kann allerdings bei tariflichen Regelungen zu einer Befristung (vgl. § 2.1 Abs. 2 MTV iGZ/DGB) und einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf diesen Tarifvertrag bzw. einer beidseitigen Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien geboten sein (vgl. BAG, Urt. v. 23.07.2014 – 7 AZR 771/12). Gesetzliche Änderungen sind insoweit nicht vorgesehen. Auch besondere tarifliche Formerfordernisse bleiben von der gesetzlichen Anpassung des NachwG unberührt (vgl. § 2.1 Abs. 1 S. 1 MTV iGZ/DGB, wobei der dort für den Arbeitsvertrag vorgesehene „schriftliche“ Abschluss keine konstitutiv wirkende Form sein dürfte).

Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem NachwG soll zukünftig in Textform erfolgen können; die Nutzung einer qeS wäre auch damit möglich. Bei einem Arbeitsvertrag, der per Schriftform, qeS oder Textform (ACHTUNG: eine Befristung kann grundsätzlich unwirksam sein, s. dazu oben!) geschlossen wird und gleichzeitig die inhaltlichen Anforderungen des NachwG erfüllt, ist dann kein weiterer (gesonderter) Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen notwendig. Der Arbeitsvertrag selbst stellt in diesem Fall einen hinreichenden Nachweis dar.

Abgesehen davon werden in dem Schreiben vom 21.03.2024 Einschränkungen bei der Nutzung der Textform für den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen gemacht:

Erforderlich ist nämlich, dass das Dokument mit dem Nachweis für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält. Dies kann bei E-Mails, bei denen keine Empfangsbestätigung erfolgt, schwierig werden. Durch diese Einschränkungen soll klargestellt werden, dass durch die Übermittlung des Nachweises in Textform den Anforderungen des NachwG vollumfänglich Genüge getan wird.

Wenn der Arbeitnehmer dies verlangt, muss der Arbeitgeber einen schriftlichen Nachweis zur Verfügung stellen. Ob dies dergestalt zu verstehen ist, dass die strenge Schriftform zu beachten ist oder dass (auch) die qeS in Betracht kommt, ist nicht eindeutig.

Bei einem Arbeitnehmer, der in einem Wirtschaftsbereich oder -zweig nach § 2a Abs. 1 SchwarzArbG tätig ist, soll die Schriftform bei der Nachweiserteilung zum Schutz der Mitarbeiter erhalten bleiben. Ob hier der Weg für die qeS geöffnet wird, ist u.E. offen. Zudem ist fraglich, ob diese Einschränkung für Zeitarbeitnehmer gilt, die in Kundenbetrieben eingesetzt werden, die den genannten Wirtschaftsbereichen oder -zweigen zuzuordnen sind. Dies dürfte zu verneinen sein, denn die Zeitarbeit stellt eine eigene Branche und damit einen eigenen Wirtschaftsbereich bzw. -zweig dar, der in § 2a Abs. 1 SchwarzArbG nicht aufgeführt ist. Auch ist es – gerade bei einer geplanten Einsatzwechseltätigkeit des Zeitarbeitnehmers und bei einer fehlenden Beschränkung des Personaldienstleisters der Überlassung auf ein bestimmtes Kundensegment – nicht hinreichend bestimmbar, ob bei Beginn des Vertragsverhältnisses eine Nachweispflicht in Schriftform besteht oder nicht. Es muss aber – im Sinne der Rechtssicherheit und ­klarheit – grundsätzlich bereits bei Vertragsschluss feststehen, ob der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen der Schrift- oder der Textform unterliegt. Der Gesetzgeber täte vor diesem Hintergrund zumindest gut daran, klarzustellen, dass der textförmliche Nachweis bei Zeitarbeitnehmern zulässig ist, selbst wenn diese in Kundenbetrieben eingesetzt werden, die unter § 2a Abs. 1 SchwarzArbG fallen, und dann dort „tätig“ sind.

III. Fazit

Die im Schreiben von Marco Buschmann angekündigte Änderung im AÜG bedeutet eine spürbare Entlastung von Zeitarbeitsunternehmen und auch deren Kunden. Die Textform ermöglicht eine gleichermaßen rechtssichere und flexible Handhabung bei dem Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages. Alte Zöpfe gehören abgeschnitten – dies insbesondere für die Schriftform in § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG. Bis das Gesetz geändert und in Kraft getreten ist, bleibt es selbstverständlich bei den bisherigen Regularien. Die genaue „Timeline“ kann dabei – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – nicht genau prognostiziert werden.

Bzgl. der Zulässigkeit der Textform bei dem Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen wird sich zeigen müssen, ob die angekündigten Änderungen die Praxis tatsächlich entlasten werden bzw. können. Die im Schreiben vom 21.03.2024 angesprochenen Einschränkungen und Ausnahmen erschweren eine Vereinheitlichung der Prozesse und Handhabung.

Zudem existieren nach wie vor gewisse Friktionen mit Blick auf sonstige (arbeitsrechtliche) Formerfordernisse, insbesondere bei Befristungen. Hier täte der Gesetzgeber gut daran, auch in diesem Zusammenhang eine weitere Entbürokratisierung vorzunehmen, indem die Textform für Befristungen im Gesetz vorgesehen wird. Dass diese Änderung noch in das BEG IV aufgenommen wird, darf jedoch bezweifelt werden. Vor diesem Hintergrund sind Zeitarbeitsunternehmen gut beraten, ihre Prozesse beim Abschluss von (insbesondere befristeten) Arbeitsverträgen und bei der Erteilung des Nachweises zu überprüfen und selbige ggf. anzupassen. Bei einer undifferenzierten Verwendung der Textform bei dem Abschluss von Arbeitsverträgen, durch die grundsätzlich der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen erbracht werden könnte, wird zumindest die Unwirksamkeit einer dort vorgesehenen Befristungsrede riskiert – mit anderen Worten: Es könnten unbefristete Arbeitsverhältnisse begründet werden, wo an sich keine begründet werden sollen. Dieses Risiko hätte der Personaldienstleister dann zu tragen. Immerhin: Die geplante Änderung des NachwG ist ein Schritt in die richtige Richtung, der Weg zu einer „Volldigitalisierung“ ist allerdings aufgrund zahlreicherer weiterer strenger arbeitsrechtlicher Formerfordernisse noch weit und steinig. Hier gilt es am Ball zu bleiben und weiter – auch gesetzlich – den Weg in die digitale Zukunft zu ebnen.

Abschließend noch ein Hinweis: Bei dem Schreiben von Marco Buschmann handelt es sich „nur“ um eine Ankündigung, das BEG IV anzupassen. Da das BMAS den im Schreiben genannten Änderungen bereits zugestimmt hat, dürfte es aber unwahrscheinlich sein, dass dieser keine Taten folgen werden. Darüber hinaus muss der finale Text des Gesetzes abgewartet werden, gerade mit Blick auf die zu erwartenden Modifikationen im NachwG.

Dr. Alexander Bissels, Partner,
und Dr. Jonas Singraven, Counsel,
Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht,
CMS Hasche Sigle, Köln